6/17 – Unter Hemingway’s Bäumen

 


cahier – première partie – brouillon 2 // Auch Tage klingen. In ihrem Herbstlicht eingefasst. Stare zanken. Die Zeitfragen liegen offen. Die Nähe. Auf dem Weg die Kastanien. Die Zeit beschreibt sich in einem Blau. Worte schweben heran. Im Grund bewegen sie Wandlung. Ein Fallen und ein Hinabgleiten. Eine Farbigkeit.

Leichter Wind in den Bäumen und über der Seine. Die Blätter halten sich an ihr Grün. Das Licht wandert tiefer und kürzt die Stunden, die Touristenströme, die Sequenzen der Strassenmusiker. Die Schatten sind länger geworden. Diese kleine Lücken. Striche, durch die der Faden rinnt, der das Lose verknüpfen, mit sich selbst. Diese kleine Bestickungen und Verzierungen im Kopf. Sie werden immer mehr. Worte. Sie kommen und gehen und bleiben.

Die Engel sind nicht unsichtbar. Sie erscheinen nur in einem anderen Licht. Sie sind hier, wie da und dort, innen wie aussen und überall, zeitlos. Sie sind eine Kontinuität. Wie könnte ich mich ihrer sonst gewahr werden, so langsam wie ich das wahrnehmen zulasse! Diese Hingabe; einer Entschlossenheit ohne Kontur Gestalt zu geben! Und alles offen zu lassen. Auch wenn alles anders ist und hinter mir die Türen ins Schloss fallen. Ich verbleibe. Ich suche ein Denken, eines, das ich nicht kenne.

Und die kleinen Ergriffenheiten, im Zwischenraum der Zeit.

 

5/17 – Unter Hemingway’s Bäumen

 


cahier – première partie – brouillon 2 // Ich versuche eine Unruhe zu erklären. Im Traum, dieses Flattern. Und um was es im Eigentlichen geht? Um eine Euphorie im Hiersein. Sie lässt mich ratlos zurück. Alles andere liegt zwischen den Zahlen. Mathematik ist unvollständig, wie das Leben. Es dehnt sich in das Unendliche aus.

Was hinzukommt, kann ich mir nicht erklären. Ein kleinstes schwebendes Teilchen. Von den Winden erfasst. Aufgewirbelt in den Tag, in das Grossgeschriebene, das sich in seltenen Augenblicken bewegt. Die Frage nach dem Rand. Wie weit und wie nah er dem Zentrum ist. Ich schaue aus dem Fenster und treibe unsichtbar über die Speicherkarte eines unbekannten Kontinents. Eine Notiz, kleinbeschrieben, auf einem kleinen Rechteck; o,5 x o.9 cm.

In diesen Gräben der Geschichte graben wir Gräben und pflanzen Zeit, den Rändern entlang. Ich vertreibe mich und denke über etwas anderes nach, ich entsinne mich lesend. Die Engel fliegen hoch und behalten die Übersicht, über meine Versuche, ihnen entgegen zu kommen. In diesen Gedanken bleibe ich hängen. In einem Netz, das ich vor langer Zeit geknüpft weiss, falls das Leben einstürzt und mir einfällt, dass es desswegen beginnt.

Und alles ohne den Grund zu wissen. Die Sonne wirft das Licht nicht, sie lässt es von den Engeln zur Erde tragen. Engel sind überall, hier wie dort. Ich sehe sie ohne Sprache nicht. Sprachlos, wie ich oft bin. Engel sind. Das verstehe ich und flattere wie eine Motte um ein Licht. Ich kann nicht bleiben und nicht gehen. Das Leben scheint mit diesem Dilemma ein Zustand zu sein, zu entscheiden. Zu fliegen oder zu fallen, zu graben, zu frühstücken, an der Seine zur stehen.

 

4/17 – Unter Hemingway’s Bäumen

 

cahier – première partie – brouillon 2 // Die Sonne bespricht weiter das Grün der Blätter in Hemingway’s Bäumen. Die Inseln vor meinem Fenster. Die Statuen und steinernen Pferde, ihre Reiter und die Möwen. Letztere verziehen sich schnell. Die Gespräche haben sie vertrieben. Nur die Tauben bleiben auf dem Dach des vorbei fahrenden Schiffes und hoffen, dass der Sommer nie endet.

Ich wende mich dem Fluss zu und den Blättern. Ich laufe weiter. Lichter werden rot und grün. Fenster und Türen öffnen und schliessen sich. Innen bleibt es still und langsam und in umgekehrter Richtung, die Spiegelung, die Form, das Grün. Die Tiefen. Die um sich kreisende Welt. Die Insel, die es nicht mehr gibt. Nur auf alten Karten. Ich überspringe jene Zeit. Inseln gehen verloren. So wie Dinge verloren gehen und nicht mehr auftauchen, auch wenn nach ihnen gesucht wird. Nach dem Verschwinden. Was es einmal war, wird es niemals wieder sein, auch wenn ich es neu entdecke. Keine Gedanke bleibt stehen.

Ich hatte mir das Leben in einer unbestimmten Weise zurecht gelegt. Die Wege, eine Idee, ohne eine Idee zu haben, mit Inseln, schwirrenden Inseln.

Mona Lisa lächelt. Es ist fern. Es erreicht mich nicht. Es schwebt über den Köpfen der Besucher. Sie lächeln zurück. Das Rauschen wird dichter, das Klicken der Kameras. Das Lächeln wird zu kleinen Speicherplatten, kleinen flimmernde Pixelansammlungen der Erinnerung an ihr Lächeln. Wer wird je in die Lage sein, es zu ordnen, wenn die Zeit fehlt? Sie lächelt, über unsere Köpfe hinweg, über den meinen. Ich, die dastehe und nicht genau weiss, an wen sie mich erinnern soll. Vielleicht ist es nicht ihr Lächeln, vielleicht sind es die Augen, die uns durchschauen? Die Abendwinde sind kühler geworden.

 

3/17 – Unter Hemingway’s Bäumen

 


cahier – première partie – brouillon 2 // Dehnt sich Zeit aus? Vielleicht liegt es in der Natur der Dinge, dass Geschehen in einer anderen Weise geschehen, wie ich sie erahne. Vielleicht geschehen die Wünsche zuerst, an die ich mich nicht erinnere. Ich habe sie im Zwischenraum wartet lassen. Sie tauchen zufällig auf. In Paris. In einem Roman ohne bekannte Protagonisten, ohne Anfang und Ende. Wie die Zeit. Wie die Tauben und Möwen. Sie sitzen gerne in der Sonne. In den Gärten, den Wäldern, an Seen und Flüssen und über Lichtungen schweben sie.

Die gestaltlosen Gestalten. Sie flanieren dem Boulevard entlang, in einer Seitengasse, im Schatten einer Kirchenmauer, unter Hemingway’s Bäumen. Sie rascheln mit den Blättern, bevor sie in Säcke gefüllt, neben den Bäumen aufgereiht werden. Als wären sie für Betten bestimmt, auf denen die Bäume im kommenden Winter ihre Kronen hinlegen und schlafen und warten. Auf den Frühling, die Vergangenheit, auf die kommenden Tage, auf die tagelosen Phänomene.

Sie lösen sich in Bildern auf. Sie werden zu einem weichen Grund im Herz. Zu Erinnerungen. Zu einem geöffneten Schrank mit Geschirr, alten Zeitschriften mit Bildern, Fotographien, Prinzessinnen und Königinnen, zu weissen cremefarbenen Kleidern, bestickt mit Blumen. Paris, ein Spiegelbild über der Seine.

 

2/17 – Unter Hemingway’s Bäumen

 


cahier – première partie – brouillon 2 // Wie sehr bin ich Paris geworden! Seine Winde, Blätter und klaren Himmeln und das Grün der Seine. Ich lese mich, löse mich, fasse mich wieder zusammen. Das Salatblatt am Strassenrand liegt noch immer da. Es wächst. Überall will ich sein. Und zur selben Zeit. Diese Tagesstickereien. Dieses grüne Gelb! Es begleitet mich, es wippt vor mir über die Flächen, wenn ich an Sommer denke. Und es mich ergreift. Und in jedem dieser kleinen Gebete bin ich aufgehoben. Und alles grünt in mir, zur linken und rechen Seite.

Ich zähle mich auf. Vielleicht bleibe ich immer vorübergehend. Und lege Tücher aus. Flächen und Linien. Weiss, in allen Variationen. Und mit diesen Farben, denen ich folge, die sich eingraben in mir und eine Wirklichkeit erschaffen, eine Insel, ein Land. Ich gehe seinem Ufer entlang. In Wirklichkeit ist es unsichtbar. Nur eine Ahnung in der Gewissheit. Ich trödle. Diese behütete Einsamkeit. Sie erfüllt mich mit Freude, mit Sprache, mit Leichtigkeit. Ich gehe Kreise um eine Sehnsucht nach dem Ungewissen. Winde rauschen mit den Blättern, im Sommerflieder, im herbstlichen Licht. Schon sind sie ausserhalb. Ich entwerfe mich weiter. Gehe die windgewischte Treppe hinab. Die Bänke sind von nächtlichen Gelagen frei geräumt. Zeit ist eine Insel mit Gedanken.

Die Nächte sind kalt und die Morgen kühl. Die Sonne wandert tief, streift die Baumkronen und zupft an ihren kargen Spitzen. In der Vergessenheit tauchen die brachen Stellen und Lücken auf. Und immer dieser Tatendrang. Dieses Glückliche. Und der Himmel ist blau ohne eine kleinste Wolke, klar und unbegreiflich. In ihm verliere ich alles. Anhaltspunkte, Lavendel. Engel. Die Unruhe und die Stille. Ihr Klang. Blumen, mich, ich bin fern und nah, der Tisch, die Wiese, das Flirren dieses Ortes. Ein bunter Gemisch aus Worten. Ich lerne sie auswendig, ohne sie wirklich zu verstehen.

 

1/17- Unter Hemingway’s Bäumen

 


cahier – première partie – brouillon 2 // Manche Tage sind zerstreut. In allem was ich auslasse, liegt diese Lücke. Eine Art Nichts und Unstetes. Es führt mich um mich herum. Die Engel lächeln. Die Musen wippen mit ihren Blumen. Sie sitzen auf Hemingway’s Bäumen und schauen zu mir herunter. Ich bleibe mir überlassen. Die Wirklichkeit ist flexibel. Sie passt sich ein und behält ihre Wahrheit. In allem. Trotz allem. Sie leuchtet auf, mit der Zeit, ein kleiner Funke im All. Sie geht nicht. Sie ist an nichts gebunden, nur an sich selbst oder nicht einmal an sich selbst. Ich bin es, die sie hält. Ohne es zu wissen. Sie existiert, je nachdem, wie ich sie beschreibe und entgleitet, gleichförmig, als eine Linie zu einem Kreis geschlossen. Der Versuch ihr zu entkommen gelingt nicht immer. Immer bleibt dieser Faden. Diese Fragen, die mich weiterziehen. Auf der Suche nach dem, das was die Welt zusammenhält, löse ich mich auf. Das Gehaltenwerden. Der Inhalt. Er ist anders. Er ist unübersichtlich und chaotisch. Wie das Zeitliche. Beide liegen auf der Fläche einer einzigen Ebene. Schwebend.

 

63/16 – Von einem Jahr zum andern…

 


– cahier – première partie – brouillon 1 // la rive gauche // Das Skizzenartige bleibt und macht glücklich. Ich überlasse die Fortsetzung und bemühe mich, keine Vergleiche mehr vorzunehmen. Die Überlegungen schweben im Zwischenraum einer Lücke. Der Übergang, Zeit und Raum und Grund sind Überschneidungen und eine kleine Abweichung der Konzentration, die kreist.

Das Gedankenferne. Ich versuche mich in einer Weise zu entsammeln. Wie es sich in Paris gehört, sind die Tauben alle sehr gepflegt, mit dichtem Gefieder und klaren Augen. Auch die Spatzen. Und die eigenartige Mischung aus Kornblumen, Rosen, weissen Geranien und hohen lilafarbigen Gewächsen, die ich nicht kenne und natürlich die Margeriten im kleinen Park. Der Mond über der Seine. Er, verschwindet auch am Tag nicht vom Himmel.

Es mag Gewohnheiten geben, sich in den immer selben alltäglichen Bahnen zu bewegen. Ich kann mich in ihnen verlieren. Alles ist einzigartig hier, nur die Touristen sind sich gleich. Wenn sie nicht weiter wissen, bleiben sie stehen und fotografieren, sich oder Steine oder fahren auf gläsernen Schiffe, warten in Schlangen, um auf Türme zu steigen, bis der Regen kommt. Sie warten weiter. Manchmal sind alle verschwunden, ich weiss nicht wohin. An manchen Tagen warte ich auch, bis mir die Zeit wieder einfällt. Ich laufe zur Rue de Rivoli. Das Karussell dreht. Ich biege in die nächste Strasse ein und von dieser weiter in eine andere, weiter und weiter. Paris ist die Stadt der Bücher. Der Bücher und Bibliotheken. Ich verbringe Stunden und Tage einer Büchereien. Vielleicht gibt es noch andere Läden, doch diese zählen nicht.

Vielleicht bin ich nur eine Erfindung meiner selbst. Ich trete auf die Strasse und ich gehe geradeaus und hole mich in entgegengesetzter Richtung ein. Keine Form ist in Aussicht und Form ist immer eine Form und immer ist eine Form im Entstehen. Und sobald sie erschaffen ist, gehe ich weiter, einer anderen entgegen. So werde ich nie an ein Ende gelangen, immer nur bis zum nächste Kapitel.

 

62/16 – Paris-le long du chemin sur la rive

 


– cahier – première partie – brouillon 1 // la rive gauche // Ein Engel schlendert vorbei. Einen Roman zu schreiben, ist ein Zustand, sagt er. Wir sind ein Hohlgramm, sage ich. Ein Gefäss mit einem Parallelleben.

Ein Kind tanzt einen Film. Bücher sind wie Stunden. Sie werden im Schubkarre in blauen Kisten angefahren und der Verkehr wird angehalten. Das Croissant liegt schwer im Magen. Die Fliegen sitzen auf der Buchseite. Der Engel streicht sich durch das Haar und lacht. Wir schweifen, sagt er und jemand blättert hinter mir The Times. Ein Baugerüst schwebt über der Strasse und das Pferd in der Zeitung schaut durch das Fenster in einen anderen, mit Wasser gefüllten Raum. Draussen sterben Menschen. Menschen spielen Sterbende. Menschen schlafen unter den Arkaden, neben der Strasse, neben der Seine, wo ich schlafe. Stare landen neben weissen Servietten. Sie fliegen auf. Die Sonne wärmt die Füsse. Unruhe und Küsse werden verteilt. Papiere mit Blätter gemischt und über den Gehsteig gefegt. Die Fliege landet erneut auf der Hand. Sie sitzt über dem Wort „Wächter“. Eine Frau geht vorüber und wacht auf. Touristen steigen aus dem Bus auf die Strasse. Observieren. Das hat alles mit mir zu tun? fragt der Engel.

Er sitzt in einem kleinen blauer Zug und fährt vorbei. „Découvrez un autre Paris“ steht auf blauem Grün geschrieben.

 

61/16 – Paris-le long du chemin sur la rive

 

– cahier – première partie – brouillon 1 // la rive gauche // Der Morgen ist kühl, die Seine still, der Himmel richtungslos blau und grün. Möwen schwirren, der Verkehr flimmert. Der Plastiksack weht im Luftzug aus dem Metroschacht. Das Gefühl ist unendlich.

Das Leben flaniert vor meinen Augen. Gleichförmig bin ich geblieben, was ich nicht bin. Eine Erscheinung. Der vertraute Blick zum Fenster hinaus auf die Bäume. Seitwärts, wo die Zeit verweht, liegt die Stadt drapiert. Begriffe tauchen auf. Unvorhergesehene Leeren, Seligkeiten, einige Abstraktheiten und Albernheiten. Wo ich bin, vergehen die Tage auch. Nicht nur einer nach dem andern, sondern alle zur gleichen Zeit. Wie ein Baum über sein Krone hinaus.

Es liegt in der Zeit, dass die Dinge sich auflösen. Der Duft über der Erde. Die Poesie des andern Ufers. Wo ankern die Gedanken, wenn kein Hafen ist? Warum ändern Wolken ihre Form? Die Häuser fliegen. Die Glocke der Notre Dame zählt die Touristen. Mein Kosmos ist ein kleines Stück Papier.

 

60/16 – Paris-le long du chemin sur la rive

 

– cahier – première partie – brouillon 1 // la rive gauche // Übergänge. Ich versuche etwas Einfaches in den Tag zu legen. Die Seine in ihrem Grün.

Wenn ich auf die Strasse hinaustrete und den Spaziergang in meinem Buch beginne, ist der Quai de Bourbon längst aus der Nacht zurückgekehrt. Jemand ist vor mir der Seine entlanggegangen, jemand hat die Strasse gewischt, die Wolken ausgespannt und ein anderer ein Foto von ihnen gemacht, wieder jemand ein Wort ausgesprochen, Scherben hinterlassen und Schiffe sind gelandet.

In dieser Tage Sommer, sind Augenblicke wie Türen, hinter diesen die Weite in die Ferne zieht und Wünsche wie Meere sind, Wirklichkeiten wie Berge. Und ich bin eine Insel für Monumente, Museen, Berge aus Steinen mit Verzierungen, für einen Baum, eine Rose, ein Gesicht, einen Park mit einem Palast, vor diesem Königinnen und Ritter ohne Armen, Augen oder Beine stehen. Tauben fliegen auf. Der Faun bleibt auf seiner Säule tanzend. Der vergessene König weint seine Tränen. Das Blau.

Das Licht zieht mit dem Sommer dahin. Im Übergang bin ich Kind geblieben und äusserst vorsichtig mit dem Landen, damit es die Tischnachbarn nicht stört. Sie sprechen ohne Unterbruch, photographieren die Robinie neben der Kapelle, den Park. Seinslücken. Heute ist die Seine grün und das Wort und der Tag ein Fluss und die Möwen über der Notre Dame dunkle schmale Striche vor dem Himmel. Winde strömen durch die Arkaden. Der Platz der Bettlerin neben dem Eingang zur Boulangerie bleibt leer.

 

« Previous Entries Next Entries »