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9/17 – Unter Hemingway’s Bäumen


cahier – première partie – brouillon 2 // Die Möwen auf den Dächern und Ufersteinen warten. Der Morgenhimmel ist ziseliert und der Wind blättert vor der Notre Dame. Erster Nebel liegt über den Bücherkästen. Ich versuche mich in Zusammenhängen.

Diese Stadt ist eine einziger Wirbel Menschen, Geschichten, Bilder und Bücher, vor allem von Bücher. Überall stehen sie, liegen sie, offen, in Regalen, in Kaffees, der Seine entlang, in Türmen, in Vitrinen, auf Bänken, in Händen und Taschen, über und unter der Erde, sie werden verborgen, transportiert, getauscht, geöffnet, geschlossen, neben sich gelegt, neben den Teller, die Nachtischlampe, die Kaffeetasse, den Stadtplan und …

… die Zeilen und Worte, Geschichten, Anfänge, Enden Protagonisten, Charakteren, Ideale, Kapitel, Szenen, Träume, Wünsche, Projektionen und Welten schwirren in und um unsere Köpfe, Schultern und um das Herz. Flirrende Zeilenschwärme. Sie umgeben die Menschen, Häuser, Monumente, durchziehen Museen, das Mobiliar, sie segeln durch die Strassen, hängen in den Bäumen und wispern um die Tauben. Sie durchdringen Mauern, überqueren Meere und Inseln, Dimensionen, Distanzen und das Denken. Sie sind nicht und doch. Sie fallen zwischen die Resonanzen, dort, wo sie hätten ankommen sollen. In ein Dazwischen, in einen Zwischenraum Zeit.

In diesem blättern die Clochards das Nichts in die kühle Luft, die Tauben picken es aus dem Kies, wischen es die Laubwischer am Morgen vom Kai, backen die Bäcker es in ihre langen Brote, nähen es die Näherinnen in die Säume der Schals, datieren es die Dichter in die Wolken. Die Engel lächeln. Sie umschwirren die Türme, die Kathedralen, die Ufer. Strassenmusiker besingen seine Zeit, die Passanten und Besucher. Es wird nie Enden mit den Worten, sagt Hemingway. Ich sehe ihn dem Ufer entlanggehen. Er schüttelt den Kopf und weiss nicht weiter. Er lächelt gelassen. Vielleicht ist es Erinnerung. Ein einzelnes Wort im Sinn. Die Tauben fliegen auf, ohne dass sie ihn gesehen haben. Tauben reagieren nicht auf Worte, die herumschwirren, sagt jemand. Die Tauben lächeln und picken weiter nach den gedankenverlorene Gedanken unter dem gefallenen Laub von Hemingway’s Bäumen.

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