9/20 – Air

Ich nehme mich ins Gericht und bin ein Kreuzfeuer. Die Bewegung hat sich in Gang gesetzt. Ich bin die Ursache, aber nicht die Schuld. Koordinaten sind anstrengend. Ob der Plan gelingt?
Ich nehme mich ins Gericht und bin ein Kreuzfeuer. Die Bewegung hat sich in Gang gesetzt. Ich bin die Ursache, aber nicht die Schuld. Koordinaten sind anstrengend. Ob der Plan gelingt?
Was sieht, wenn ich die Augen schliesse? Ich stehe am Platz mit dem Namen Derrida. Die Zusammensetzung der Stunden ergibt mehr wie einen Tag. Eintreten ist räumlich.
Es gibt es nicht. Wenn ich jeden Tag schreibe, wird mein Leben nie enden, schreibe ich. Im Hier ist alles einwenig unendlich. Ich frage mich, warum ich mir ein Ende vorstelle, wenn es immer weiter geht. Das Leben endet nicht mit dem Streben. Das Sterben kann ein Leben lang dauern, bis der Tod da ist und wenn er da ist, geht er weiter. Vielleicht geht er an mir vorbei. Die Verstorbenen sprechen dauernd, nur glauben wir nicht daran, dass sie es auch sind, die Worte in unsere Gedanken und Leben einschleusen. Mehr wie wir ahnen. Ein Teil von ihnen ist immer mit uns und ein Teil von uns, mit ihnen.
Ich gehe jeden Tag einen direkten Umweg. Manchmal bin ich mir nahe, manchmal nicht, aber immer begegne ich mir. Warum sollte das Leben nicht an einem anderen Ort ankommen? Vielleicht bin ich zu oberflächlich oder zu genau? Das Wesentliche ist ein Augenblick, denke ich.
Die Orientierung ist lose. Wo bleibe ich in der Vorsehung? Gefühle wiederholen sich nicht, aber die Erinnerung. Mein Gedächtnis ist zeitlos. Hier muss ich mich nicht ordnen. Die Zeichen verändern den Inhalt des Papiers, sofern es leer ist. Ich warte bis niemand mehr im Treppenhaus auf oder ab geht. Dann lebe ich weiter.
Das Hier ist eine kleine, aber eine wesentliche Heimat. Ich trage sie vor mich her oder laufe ihr nach. Ich habe mich eingerichtet in ihr und bin glücklich. Selten liegt hier Staub. Der Wind weht jeden Tag durch meine Ritzen. Mit jeder Böe hebt er den Vorhang. Die Welt erscheint und ihre Intendanten. Ich habe die Seiten verwechselt, dort, wo keine existieren.
Das Ganze ist etwas mehr, wie ich hier erfassen kann. Doch auch das ist sehr viel. Das Viele braucht so viel Mut, wie das Wenige. Der Mut ist ein Turm, denke ich. In seiner Höhe liegt das Erreichte in der Ferne und hinter der Ferne fängt sie erst wirklich an, fern zu sein. Was dort geschieht ist dasselbe. Nur liegt es etwas weiter weg, wie hier.
Im Hier habe ich keine Mühe über nichts nachzudenken. Alles ist so viel, dass es keinen Sinn macht, das Viele zu ordnen. Es folgt eigenen Gesetzmässigkeiten. Im Grossen und Ganzen gesehen ist alles nachvollziehbar, wie es entsteht. Wie es sich fortsetzt steht unter einem anderen Einfluss. Die Vorsehung ist nicht leicht zu erkennen. Erst wenn sie im Blickfeld erscheint und ein Licht wirft, in das sie ein Bild projiziert. Dessen Entwurf kann unter Umständen Jahre dauern. Ich überlege mir, ob mein Leben hinreicht, das alles zu notieren.
Im Traum gehe ich durch den Jardin. Ich beobachte ob ich erkennen kann, wo das Neue Jahr anfängt. In der Zeit ist es nicht einfach zu sehen. Das Oben und Unten scheint kein Ort zu sein. Als ich sehr klein war, versuchte ich herauszufinden, ob der Himmel tatsächlich weit weg im Himmel hängt oder ob er bis zum Boden reicht, da wo ich jetzt stehe. Wenn es so ist, berührt der Himmel meinen Kopf und wenn ich meine Hände vor mir ausstrecke, kann er da sitzen. Vielleicht sehe ich ihn nicht. Um die Erde ist sehr viel Luft. Darum sind auch die Engel unsichtbar. Hier im Jardin wohnen sehr viele. Sie stehen mit den Königinnen an der Balustrade und scheuchen die Tauben und Möwen von Zeit zu Zeit auf. Auch das Neue Jahr, denke ich und das ist wunderbar.
Ich habe mir als Kind ein Orchester zu Weihnachten gewünscht. Jetzt weiss ich, dass Orchester sehr aufwendig sind. Ich bin durch den Jardin gelaufen und habe zwischen den Königinnen die Bäume gezählt. Im Winter sind die Töpfe auf der Balustrade leer. Die Statuen sind arm und oft ohne Kleider. Möwen landen gerne auf ihren Köpfen. Die Tauben im Park sind friedlich. Weihnacht ohne Buch, ist keine richtige Weihnacht, hat meine Mutter jedes Jahr gesagt. Weihnachtsbäume sind meine Lieblingsbäume. Paris 2019