9/19 – Signifikat

 

Und. In vielen Geschehen, mit denen ich mich befasse, liegt dieses Und und ein Fünkchen Wirklichkeit. Vielleicht. Etwas, in deren Winkeln Verborgenes, das sich jeden Tag zeigt. Sich wiederholend, sich drehend, sich wendend. Ich denke daran und vergesse sie. Sie sind wie Blumen. Sie blühen, auch im Regen, wenn ich nicht an sie denke und an den Stunden vorbeigehe. In diesem Augenblick. Wäre ich Hier? Wäre ich nicht unterwegs und im Leben? Es würde dort drüben sitzen bleiben, auf der Bank, vor dem Haus. Wir würden Gespräche führen, mit Träumen reisen, sie in die Augen fangen, die Wolken mit den Händen, die Sprache mit dem Herz, dieses Fünkchen Vergessen, in die Wirklichkeiten. Habe ich heute daran gedacht, nicht zu denken, was sich auch noch in den Gedanken verbirgt und irrlichtert, in meinem Gespinst aus Blumen und Farbtöpfen, aus Fäden? Hier ist das Leben, sage ich und bin schon weiter gegangen. Ich habe die Wolken verschoben, dort hinter dem Berg liegen sie, ein wenig verborgen, die Lichter. In den Kirschbaum fällt der Frühling. Schnee.

 

8/19 – Signifikat

 
S

Es sind Vorübervergangenheiten. Sie kehren wieder und wieder. Wie kleine Planeten erscheinen ihre Bilder, mischen sich in das alltägliche Tun. Sie leiern. Oft habe ich sie vergessen, bevor sie in meinem Bewusstsein erscheinen. Sie hinterlassen kleine Funken, eine Einsamkeit vielleicht, ein Gefühl für etwas verloren Wiedergefundenes, das ich nicht von den Blumen vor meinem Fenster zu unterscheiden vermag, auch nicht von den Tauben auf dem Dach, die jeden Morgen, nach einem mir unlesbaren Koordinationsplan, Lande- und Abflugformationen üben, als sei es das Selbstverständlichste, auf Dächern zu landen und wieder aufzufliegen. Ich staune und setze mich einwenig zu ihnen auf den First. Wir schauen Richtung Meer, zum Campo. Dann in die andere Richtung, zur Notre Dame. Auf ihrem Dachfirst können wir nicht mehr landen und im ziselierten Schatten des kleinen Turmes sitzen. Auch die Schwalben haben kein Zuhause mehr, die Lichter, die hier täglich, in einem grossen Wirbel ein und ausfliegen. Sein Tor hat sich geöffnet, in den Himmel, um einen Kathedralenraum vermehrt.

 

7/19- Signifikat

 

Die Zeit steckt im Unvollendeten. Wesentliches entgleitet ihr in einen See der Erinnerung. Unwillkürlich scheinen die Wellen an die Ufer zu schlagen. Im Rauschen. Zurück bleibt das Unaufhörliche. Welche Vollendung?!

Wie sehr sich alles in Bewegung bringt! Es wird sich selber hinlösen. Weder Anfang noch Ende liegen im Verborgenen. Die Zeit ist hier wie dort. Nicht wirklich. Nicht allein, eine bewirkende Ordnung. Wirklichkeiten bewirken Unübersichtliches. Sie machen die Ufer zu Ufer. Ufer zu Welten. Inseln umgeben die Welten. Inseln und planetarische Konsequenzen. Alles in diesen Erscheinungen sind wir. Wir bebildern uns. Unsere Sphären, die wir sind. Ein Universum aus Vorsichtsmassnahmen. Schöpfung ist nicht so. Schöpfung ist in sich ohne Bild. Wir sind Spiegelungen dessen, was wir sind, in unseren Bildern der vorgestellten Welt als Welt.

 

6/19 – Signifikat

 

+ wenn ich mich in alles hineinlöse und die Welt sich in den Raum schiebt, ist Fülle und Inhalt dasselbe, wie dort, wo es leer erscheint, im Sein eines Augenblicks.

Und diese Merkwürdigkeiten im Leben, die es ausmachem, mit denen ich mich überwerfe und sie mich. In diesem Frühling. Dort habe ich ihn hingepflanzt, in einen Koffer, den ich vor mir hertrage. In seinem Schatten gehe ich weiter. Bis in die Hügel. Hier. Durch mein Gedächnis weiden Schafe. Noch immer. Die Verlorenheit. Ich verwechsle sie mit dem Konkreten und warte. Es ist eine Flunkerei in den Augen. Begreife ich es? ES? Seine Erscheinungsform gleicht nicht dem Wort, das ich ihm gegeben habe. Einmal.

 

5/19 – Signifikat

 

In diesen Bereichen, in denen ich mich bewege, bewegt sich alles und so ist es verständlich, dass es diese Welten nicht nur zu erreichen gilt, sondern sich ihnen anzunähern.

In diesen und in allen anderen blumigen Hainen, sind wir in Zwischenreichen angesammelter Dinge, die wir zu ordnen bemüht sind und bemerken erst zur späten Stunde, dass es sich nicht lohnen wird, die Dinge zu zählen, die sich dauernd und ununterbrochen vermehren und so erscheinen, als wären sie dieselben wie diese, die wir schon in uns aufgenommen haben, mit den Zahlen und ihren Räumlichkeiten.

 

4/19 Signifikat

 

+ es ist nicht so = konkret – wie alle von mir erwarten.

Was wir sind, haben wir vergessen. In diesem Vergessen angelegt, sind die Erinnerungen brache Lücken. Der Baum blüht auf. In seinem Regen stehe ich etwas abseits am Wegrand. Am anderen Ufer. Von dort holt mich niemand zurück. Also stehe ich weiter, bleibend, unter dem Baum. Der Verkehr rollt vorbei. Die Blumen. Die Schwalben. Sie sind zurückgekehrt. Angekommen. Über mir kreisen sie eine Vertiefung in den Himmel.

 

3/19 Signifikat

 

Erklärbarkeiten / Andere und diese. In einem Atemzug ausgesprochen. In einem Gedankengang zurückgeholt. Die Dinge sind vergänglich, in ihrem Fliessen.

Die Zeit wendet sich. Von mir aus gesehen ein geschlossener Kreis. Sie zeichnet ihn nach, hinter mir. Ich weiche aus. Ich stehe in ihr. Wie weit und wie nah sie mir ist! Diese kleine schwebende Einheit. Ein Universum aus Berg und Stille. Gedankenlosem Sein. Gezeiten. Ich begegne mir. Ungeduldig. Einem Wirrwarr aus Wegen und Serpentinen, aus Wurzelwerken und Flechtenzwirnen. Das Schneefeld blendet. Der schwarze See. Mimesis. Ein Fenster. Ein Zimmer in ihm. Das wandernde Licht durch den Tag. Es kommt und geht, das Zeitlose und das Wartende. Ich bleibe. Die Erreichbarkeit der Dinge des Lebens. Eine Menschenleere. Eine Spiegelung. Über der Stirn, eine kurze gedankliche Wolkengruppierung. Eine Müdigkeitserscheinung? Die Dinge sind in Wirklichkeit anders. Sie schweben, wie Anfangs festgestellt. Sie sind weder fest noch imateriell. Sie sind einfach. Ihre Komplexität in steter Auflösung. Eine Permanente.

 

2/19 – Signifikat

 


Vor Allem
In ihrem Ursprung ist Welt Vergessenheit

 

1/19

 

Spiegelungen zeichnen den Himmel nach, das Ufer mit Hemingways Bäumen. Wasserwirbel verquirlen die Monumente. Woher und wohin die Seine fliesst, habe ich mir noch nie erdacht.

Eine Textfuge über das Zeitlose einer Stadt an der Seine mit Inseln, Tauben, Büchern und der Notre-Dame.

Das 4. Buch der Reihe „une traversée“ ist da:
Unter Hemingways Bäumen
une traversée de Paris
ISBN 978-907974-81-0
Edition buschö & Neue Galerie 6

 

38/18 – Mäander

 


Senda d’aua // Tropfen. Kleinste Wesenheiten. Unvorhergesehen. Wie Worte entstehen, sickern sie aus dem Berg. Rötlich. Ohne ein Geräusch. Am Anfang. Anfänge enden nie. Sie sind immer sich selber. Anfang, nichts anderes. Was endet ist das Ende. Wie beide zu ihrem Entschluss kommen, ist mir ein Rätsel. Rätsel sind so. Sie haben irgendwo einen Anfang und ein Ende. Das Rätsel aber bleibt. So wie der Berg. Berg ist immer Berg. Er fängt an und endet nie. Ich stehe auf ihm, manchmal vor ihm, umrunde ihn. Er fängt dort an, wo ich anfange zu gehen und endet dort, wo ich müde bin, mich hinsetze und nicht mehr denke. Hier fängt die Landschaft an. Es spielt keine Rolle, wo ich sitze. Das Hier ist kein Ort. Es ist ein Zustand. Eine unscheinbare Wirklichkeit. Eine Kraft. Maßlos. Unberechenbar. Fordernd. Alles zieht sie in ihr Jetzt. Keine Faser bleibt unerkannt und ausgelassen. Alles birgt sie. Alles enthält sie. Eine Obhut. Eine Leere. Den ersten sichtbaren Atemhauch in der Morgenkühle am Inn. Das ewige Rauschen. Die sich überholenden Lichtungen in der Strömung. Der Chor der Mücken. Er ist lichter geworden über dem Ufer. Blätter fallen. Rotgerändertes Gold. Herbsthimmelblau füllt den Leerschlag. Ich lese ihn nicht mehr. Er schlägt meine Seiten um. Liest in mir. Wirft meine Fragen auf. Die Vergänglichkeit. Wann fängt sie an und wann hört sie auf. Höre ich sie? Ihren Klang? Ihr Knistern in den Blättern? Das Rieseln der Lärchennadeln. Abermillionen feinster Stiche, in die Luft gewirkt, zu einem gelbleuchtenden Teppich ausgelegt, über den ich gehe, gehe und immer gehe und nie anfange und nie ende, in diesem Hier, durch das die Berge ziehen und der Inn, an dessen Rauschen ich sitze, das mich entbirgt, wie die Quelle, die sein Ufer ist, neben mir.
Source chamber // Sfondraz, Nairs

 

« Previous Entries Next Entries »