12/19 – Signifikat

 

Wo bin ich geblieben? In welcher Zeit vorbeigegangen? In welchen Büchern und Tagen gelesen? In den Wolken gehangen, am Fluss die Vögel gezählt, die Meere? Da, wo ich jetzt die Straßen überquere, sind die Bäume fremd geblieben. Ich schaue weg und verliere mich in ihrem Geäst. Wie sehr sich die Dinge hier ähnlich sind! Die Geschehen, in meinem Kopf. Die gedanklichen Wäscheleinen. Das eine Geschehen, aus dem anderen entstehend, verliert seine Farben. Sie bleiben nass, im Wind hängen, aufgezogen, hingereiht in ihrem Geflatter. Ich fange keine Winde. Diese Zitronentage. In ihnen reise ich von einem Ort zum anderen. Ich komme nie wirklich an, weder am einen, noch am anderen. Dazwischen bin ich ein wenig unruhig. Die Winde. Inzwischen füllen sie meine Tasche. Die Menschen schlafen und sagen, ich sei ohne Boden. Wie könnte ich sonst fliegen, wenn er mich nicht begleiten würde? Das Konkrete? Bewegt es sich, wenn ich mich nicht bewege? Es würde Welt bedeuten. Eine Erde, die rund ist, wie ein Ei. Sie würde sich drehen und ich mich mit ihr, von einem Ort zum andern würde ich mich drehen, ohne hinzugehen. Dazwischen wären die Wolken, der Fluss, die Vögel, die Meere, eine Allee fremder Bäume, ohne dass ich sie gesehen hätte.

 

11/19 – Signifikat

 

Und wo ich mich in die Berge lege. Wie Gedichtzeilen, beschreiben sie, was die Genesis der Erde im Sinn hatte, sich zu erschaffen. Ich gehe durch dieses Geviert. Ein Raum, aus resonierenden Körpern für Winde und Arven. Wo die Schatten klingen. Steine rieseln wie Wasser. Ich denke an eine Auferstehung. An Lücken im Konkreten. Wo ich hinblicke, ist die Zeit einwenig zusammengefallen. Niemand sieht in die Richtung dieser Lichter, die neben mir gehen. Über das eingestürzte Dach. Weiss und morsch leuchtet es im Halbdunkel der Kammer. Der Schnee. Sein letztes Gewand. Über den Fels hingehängt, unsichtbar. Das Licht. Aus der Ritze der Mauer fällt es, als wäre bald Hochzeit, in diesem baufälligen Palast, durch den die heiligen Wasser über den Rand der Zeit in die Gegenwart ein Gerinnsel hinzerlassen, ein Herz, denke ich, süsslich im Mund. Schwefliger Geruch zieht mit dem Luftzug durch den Gang die Türe zu. Hinter ihr, der Inn, der sein Rauschen auslegt, für den Festzug, eine Partitur.

 

10/19 – Signifikat

 

Bin ich, da und dort gegangen, zwischen den Gedanken, diesem Gebirge, das sich aufgetürmt, über die Jahre, in seine Feinblättrigkeit? Ein Millefeuille, durch das die Wasser sickern und rinnen. Wo stehe ich? Wo die Regen sich sammeln und ich sie zu destillieren versuche, mit meinen Händen eine Berührung, eine Unendlichkeit zu fassen? Vielleicht reiche ich ein Stück in sie hinein oder sie in mich, so genau ist es nicht zu orten. Der Wind hat die Klänge schon weiter getragen. Jetzt verliert sich das Konkrete. Es müsste sich neu erfinden und tut sich schwer, aus seiner Dichte zu steigen und mit den Winden einwenig im Tal zu kreisen, bis es die Höhe erreicht, wo es den Überblick meint und sieht. Weder ein Oben noch Unten existiert. Hier wehen die Farben. Ein gezeitigtes Glück, das Bilder erzeugt, in denen es Zeuge ist, dieser Bildung der Ordnung, die vor mir steht. Ich erinnere mich: Das ist ein Berg und das ist ein Raum und das ist ein Körper und das ist ein Wort. Und. In allem bin ich aufgelöst und muss mich zuerst finden, bis ich zu mir zurückkehre, in die Erinnerung, die ich bin, in dieser Spiegelung, ein Spielgel, in dem alles so erscheint, wie sie nicht mehr ist.

 

9/19 – Signifikat

 

Und. In vielen Geschehen, mit denen ich mich befasse, liegt dieses Und und ein Fünkchen Wirklichkeit. Vielleicht. Etwas, in deren Winkeln Verborgenes, das sich jeden Tag zeigt. Sich wiederholend, sich drehend, sich wendend. Ich denke daran und vergesse sie. Sie sind wie Blumen. Sie blühen, auch im Regen, wenn ich nicht an sie denke und an den Stunden vorbeigehe. In diesem Augenblick. Wäre ich Hier? Wäre ich nicht unterwegs und im Leben? Es würde dort drüben sitzen bleiben, auf der Bank, vor dem Haus. Wir würden Gespräche führen, mit Träumen reisen, sie in die Augen fangen, die Wolken mit den Händen, die Sprache mit dem Herz, dieses Fünkchen Vergessen, in die Wirklichkeiten. Habe ich heute daran gedacht, nicht zu denken, was sich auch noch in den Gedanken verbirgt und irrlichtert, in meinem Gespinst aus Blumen und Farbtöpfen, aus Fäden? Hier ist das Leben, sage ich und bin schon weiter gegangen. Ich habe die Wolken verschoben, dort hinter dem Berg liegen sie, ein wenig verborgen, die Lichter. In den Kirschbaum fällt der Frühling. Schnee.

 

8/19 – Signifikat

 
S

Es sind Vorübervergangenheiten. Sie kehren wieder und wieder. Wie kleine Planeten erscheinen ihre Bilder, mischen sich in das alltägliche Tun. Sie leiern. Oft habe ich sie vergessen, bevor sie in meinem Bewusstsein erscheinen. Sie hinterlassen kleine Funken, eine Einsamkeit vielleicht, ein Gefühl für etwas verloren Wiedergefundenes, das ich nicht von den Blumen vor meinem Fenster zu unterscheiden vermag, auch nicht von den Tauben auf dem Dach, die jeden Morgen, nach einem mir unlesbaren Koordinationsplan, Lande- und Abflugformationen üben, als sei es das Selbstverständlichste, auf Dächern zu landen und wieder aufzufliegen. Ich staune und setze mich einwenig zu ihnen auf den First. Wir schauen Richtung Meer, zum Campo. Dann in die andere Richtung, zur Notre Dame. Auf ihrem Dachfirst können wir nicht mehr landen und im ziselierten Schatten des kleinen Turmes sitzen. Auch die Schwalben haben kein Zuhause mehr, die Lichter, die hier täglich, in einem grossen Wirbel ein und ausfliegen. Sein Tor hat sich geöffnet, in den Himmel, um einen Kathedralenraum vermehrt.

 

7/19- Signifikat

 

Die Zeit steckt im Unvollendeten. Wesentliches entgleitet ihr in einen See der Erinnerung. Unwillkürlich scheinen die Wellen an die Ufer zu schlagen. Im Rauschen. Zurück bleibt das Unaufhörliche. Welche Vollendung?!

Wie sehr sich alles in Bewegung bringt! Es wird sich selber hinlösen. Weder Anfang noch Ende liegen im Verborgenen. Die Zeit ist hier wie dort. Nicht wirklich. Nicht allein, eine bewirkende Ordnung. Wirklichkeiten bewirken Unübersichtliches. Sie machen die Ufer zu Ufer. Ufer zu Welten. Inseln umgeben die Welten. Inseln und planetarische Konsequenzen. Alles in diesen Erscheinungen sind wir. Wir bebildern uns. Unsere Sphären, die wir sind. Ein Universum aus Vorsichtsmassnahmen. Schöpfung ist nicht so. Schöpfung ist in sich ohne Bild. Wir sind Spiegelungen dessen, was wir sind, in unseren Bildern der vorgestellten Welt als Welt.

 

6/19 – Signifikat

 

+ wenn ich mich in alles hineinlöse und die Welt sich in den Raum schiebt, ist Fülle und Inhalt dasselbe, wie dort, wo es leer erscheint, im Sein eines Augenblicks.

Und diese Merkwürdigkeiten im Leben, die es ausmachem, mit denen ich mich überwerfe und sie mich. In diesem Frühling. Dort habe ich ihn hingepflanzt, in einen Koffer, den ich vor mir hertrage. In seinem Schatten gehe ich weiter. Bis in die Hügel. Hier. Durch mein Gedächnis weiden Schafe. Noch immer. Die Verlorenheit. Ich verwechsle sie mit dem Konkreten und warte. Es ist eine Flunkerei in den Augen. Begreife ich es? ES? Seine Erscheinungsform gleicht nicht dem Wort, das ich ihm gegeben habe. Einmal.

 

5/19 – Signifikat

 

In diesen Bereichen, in denen ich mich bewege, bewegt sich alles und so ist es verständlich, dass es diese Welten nicht nur zu erreichen gilt, sondern sich ihnen anzunähern.

In diesen und in allen anderen blumigen Hainen, sind wir in Zwischenreichen angesammelter Dinge, die wir zu ordnen bemüht sind und bemerken erst zur späten Stunde, dass es sich nicht lohnen wird, die Dinge zu zählen, die sich dauernd und ununterbrochen vermehren und so erscheinen, als wären sie dieselben wie diese, die wir schon in uns aufgenommen haben, mit den Zahlen und ihren Räumlichkeiten.

 

4/19 Signifikat

 

+ es ist nicht so = konkret – wie alle von mir erwarten.

Was wir sind, haben wir vergessen. In diesem Vergessen angelegt, sind die Erinnerungen brache Lücken. Der Baum blüht auf. In seinem Regen stehe ich etwas abseits am Wegrand. Am anderen Ufer. Von dort holt mich niemand zurück. Also stehe ich weiter, bleibend, unter dem Baum. Der Verkehr rollt vorbei. Die Blumen. Die Schwalben. Sie sind zurückgekehrt. Angekommen. Über mir kreisen sie eine Vertiefung in den Himmel.

 

3/19 Signifikat

 

Erklärbarkeiten / Andere und diese. In einem Atemzug ausgesprochen. In einem Gedankengang zurückgeholt. Die Dinge sind vergänglich, in ihrem Fliessen.

Die Zeit wendet sich. Von mir aus gesehen ein geschlossener Kreis. Sie zeichnet ihn nach, hinter mir. Ich weiche aus. Ich stehe in ihr. Wie weit und wie nah sie mir ist! Diese kleine schwebende Einheit. Ein Universum aus Berg und Stille. Gedankenlosem Sein. Gezeiten. Ich begegne mir. Ungeduldig. Einem Wirrwarr aus Wegen und Serpentinen, aus Wurzelwerken und Flechtenzwirnen. Das Schneefeld blendet. Der schwarze See. Mimesis. Ein Fenster. Ein Zimmer in ihm. Das wandernde Licht durch den Tag. Es kommt und geht, das Zeitlose und das Wartende. Ich bleibe. Die Erreichbarkeit der Dinge des Lebens. Eine Menschenleere. Eine Spiegelung. Über der Stirn, eine kurze gedankliche Wolkengruppierung. Eine Müdigkeitserscheinung? Die Dinge sind in Wirklichkeit anders. Sie schweben, wie Anfangs festgestellt. Sie sind weder fest noch imateriell. Sie sind einfach. Ihre Komplexität in steter Auflösung. Eine Permanente.

 

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